Auf dieser Seite stelle ich Ihnen ein Piano von August Förster vor. Anhand des Herstellers und der Seriennummer kann man häufig das Alter genau bestimmen. Unser Piano wurde 1901 in Löbau gebaut. Wie schon bei anderen Klavieren aus der Zeit um 1900 ist auch hier die Konstruktion bereits insofern modern, als es sich um einen so genannten Kreuzsaiter handelt, der schon eine Klaviermechanik mit Unterdämpfung hat.
Die reichhaltig verzierte Gussplatte mit Logo und dem Nachweis der Teilnahme an Weltausstellungen zeigt eine stolze Klaviermarke. Immer wieder erstaunt ein genau genommen nach innen gerichtetes Marketing der Klavierbauer, die für sich auf der Gussplatte warben, die außer dem Klavierstimmer kaum jemand zu Gesicht bekommt. Um diese Absicht zu würdigen, lasse ich mich immer wieder gerne zu dem Vorschlag hinreißen, das auf das Wohnzimmer um 1900 abgestimmte Kulturmöbel in ein sinnlich vielseitig ansprechendes Transparent-Piano umzubauen.
Über 100 Jahre hinterlassen natürlich auch bei hoher Wertarbeit ihre Spuren. Hier sieht man die Achse einer so genannten Stoßzunge, die seitlich zu wandern beginnt. Als Folge sitzt die Stoßzunge schief und erzeugt beim Spielen ein leichtes Nebengeräusch, das sich erst einmal nicht exakt zuordnen lässt.
Apropos Nebengeräusch: Die geübten Hörer der Hörbeispiele der Klavierstimmerei Praeludio hören in der folgenden Aufnahme der verstimmten Version, dass die Klavierhämmer trommeln. Das heißt, aufgrund von Mechanikverschleiß bzw. sich verändernden Einstellungen der Klaviermechanik begannen die Klavierhämmer, beliebig oft gegen die Saiten zu schlagen. Diesen Verlust an Spielkontrolle nennt man Trommeln.
August Förster leicht verstimmtDie Stimmhaltung des über 100 Jahre alten Klaviers von August Förster ist ziemlich gut. Das zeigt sich am Grad der Verstimmung in Relation zur Zeit. Das Klavier wurde zuletzt 2007 von der Klavierstimmerei Praeludio gestimmt. Inzwischen stand es aber nicht nur herum, sondern wurde fleißig von einem Schüler des Markgräfin-Wilhelmine-Gymnasiums in Bayreuth bespielt, das ein so genanntes Musisches Gymnasium ist. Der von mir in meinem Blog Serviceverweigerung dokumentierte Trend meiner Kollegen, alten Pianos den Service zu verweigern, sowie unwahre Lügengeschichten über deren aktuellen Zustand zu verbreiten, nur um im Idealfall ein neues Klavier verkaufen zu können, entbehrt sachlich jeglicher Grundlage, wie die Vielzahl der von mir in meinem Hörbeispielen dokumentierten Pianos beweist, die 100 Jahre und älter sind.
Der Blick unter den Spieltisch auf den Resonanzboden zeigt wieder einmal eine so genannte Bassbrücke als eine konstruktive Maßnahme, den Bass klanglich zu optimieren.
Vergleicht man die Stimmung mit der geringen Verstimmung, so empfindet man die Stimmung als harmonischer und im Detail ruhiger.
August Förster gestimmtEin letzter Blick auf die Pedale bestätigt das bekannte Bild eines nicht genutzten linken Pedals und eines mit dem Fuß polierten rechten Pedals. Das linke Pedal soll das leise Spiel optimieren. Doch mangels hörbarer Unterschiede verzichten die Klavierspieler schon seit circa 100 Jahren auf dessen Einsatz. Trotzdem wird es nach wie vor eingebaut und ist somit ein anschauliches Beispiel für eine Industrie, die Verbesserungspotenzial hätte, aber trotz massiver Umsatzrückgänge gar nicht auf die Idee kommt, dieses Potenzial auch zu nutzen.