Sie hören die Aufnahmen eines Klaviers der Bayreuther Pianofabrik mit der Seriennummer 2641. Es hat die Höhe von mindestens 130 cm. Bei diesem Klavierbau-Unternehmen aus Bayreuth handelte es sich nicht um den heute noch bestehenden Klavierbauer SSteingraeber, sondern um ein eigenstädniges Unternehmen, das nur kurze Zeit existierte, nämlich von 1927 bis 1929.
Für mich enthält das Klavier eine Besonderheit, nämlich links oben eine hinein geklebte Zeitungsanzeige aus der Zeit, als ich mich nach der Ausbildung selbstständig gemacht hatte. Aber das könnte ja bedeuten, dass die letzte Stimmung von mir ausgeführt worden ist - und somit ich für die Verstimmung verantwortlich bin? Ja, es könnte durchaus sein, dass ich der letzte Stimmer war, den das Klavier gesehen hat. Das sind die Klaviergeschichten, die einem fast täglich begegnen, dass nämlich Klaviere oftmals eine längere Schonzeit erfahren. Dementsprechend klingt unser Klavier inzwischen:
Bayreuther Pianofabrik verstimmtNach möglicherweise 35 Jahren Schonzeit geht es nun für das Piano mit einer neuen Generation in die nächste Runde. Aufgrund der ziemlich starken Verstimmung und in Rücksprache mit den neuen Besitzern lasse ich das Klavier auf der vorhandenen Tonhöhe. Das ist okay. Als ich jedoch erläutere, dass die aktuelle Tonhöhe von 397 Hertz beinahe dem Kammerton zur Zeit Johann Sebastian Bachs entspricht, und zwar wie er in Frankreich üblich war, verstört diese Information den Vater der Klavier spielenden Tochter doch etwas. Daher erläutere ich, dass es keine absolute Tonhöhen gibt. Der Kammerton ist immer eine willkürlich Festlegung. Wichtig wird der Kammerton, wenn man mit anderen Instrumenten zusammen musizieren möchte, die in der Tonhöhe nicht sehr stark verändert werden können. Dann brauche ich ein Piano, das aufgrund seines Alters imstande ist, die heute übliche Tonhöhe von 440 Hertz zu leisten. Das ist aber für Pianos, die vor 1939, also vor dem Stichtag für den damals neuen Kammerton gebaut worden sind, keine Selbstverständlichkeit. Das hat etwas zu tun mit dem Zustand der mittlerweile fast 100 Jahre dauernd unter hoher Spannung stehenden Saiten, mit der hohen Zugkraft der Saiten und in dem Zusammenhang mit der gewählten Saitenstärken, und weiteren Faktoren. Versucht man ältere Klaviere auf 440 Hertz höher zu stimmen, so brechen relativ häufig die Saiten. Die kann man zwar ersetzen. Aber der Stimmnagel, an dem die Saiten aufgehängt sind, hält anschließend oftmals nicht mehr so gut die Spannung. Das heißt, man hat nun eine oder auch mehrere Dauerbaustellungen im Klavier, wenn man glaubt, dass man alte Instrumente einfach auf heutige Standards einstellen kann. Dieser Denkfehler resultiert aus der Tatsache, dass wir wenig Erfahrung im Umgang mit Gegenständen haben, die um die 100 Jahre und älter sind.
Bereits in verstimmten Zustand ist ein Nebengeräusch aufgefallen. Bei jedem Treten des rechten Tonhaltepedals ist es zu hören. Nach dem Stimmen ist es immer noch vorhanden:
Gestimmt - NebengeräuschNun stellt sich die Frage: ann man das Nebengeräusch beseitigen, oder ist das eine Alterserscheinung, mit der man leben muss? Eine Analyse der Ursache und das Wissen um die dazu passende Lösungen lassen einen nun ganz entspannt den Klavierklang genießen:
Ohne NebengeräuschDas Piano aus unserem Hörbeispiel wurde schon in der Modulbauweise hergestellt. Das heißt, die Klavierbauer um 1900 haben nicht etwa ganze Klaviere hergestellt, sondern wie heute auch Module zusammengesetzt. Das kann man in unserem Fall an einem Schild auf der Mechanik erkennen, das uns nämlich verrät, dass diese Klaviermechanik von dem Spezialisten für Klaviermechaniken Fritz und Mayer aus Stuttgart stammt. Diese Firma war laut dem Eintrag im Atlas der Pianonummern von 1873 bis 1936 aktiv. Bis 1932 wurden dort 165000 Klaviermechaniken produziert.